Der russische Rubel hat gegenüber dem US-Dollar in diesem Jahr beeindruckende Gewinne verzeichnet und galt laut einer Reuters-Umfrage Anfang des Jahres als eine der stärksten Währungen, mit einer zwischenzeitlichen Aufwertung von rund 40 Prozent seit Jahresbeginn.¹ Gleichzeitig notiert Rohöl der Sorte Brent zuletzt bei etwa 68 US-Dollar pro Barrel, gut 30 Prozent unter dem Vorjahresniveau.² Diese Kombination aus starkem Rubel und unter Druck geratenen Ölpreisen führt zu einem paradoxen Effekt: Zwar steigt die Kaufkraft der heimischen Währung, gleichzeitig schrumpfen aber Putins wichtigste Einnahmequelle aus Rohstoffexporten, da diese meist in Dollar oder Yuan abgerechnet werden und der Umrechnungskurs in Rubel ungünstiger wird.
Analyse der aktuellen Lage
Paradoxerweise resultiert der aktuelle Rubel-Boom nicht primär aus wirtschaftlicher Stärke im freien Markt, sondern ist zum großen Teil das Ergebnis staatlicher Interventionen. Kapitalverkehrskontrollen zwingen Exportunternehmen, den Großteil ihrer Devisenerlöse in Rubel umzutauschen, wodurch die inländische Nachfrage nach der Landeswährung künstlich gestützt wird.³ Anfangs wurden 80% der Exporterlöse zum Umtausch vorgeschrieben, später wurden die Regeln angepasst, behalten aber ihren restriktiven Charakter bei.⁴ Die Moskauer Zentralbank hält zudem den Leitzins auf einem sehr hohen Niveau von 16%, nachdem er zwischenzeitlich bei 21% lag. Dies ist der höchste Stand seit zwei Jahrzehnten und soll die hohe Inflation von zuletzt rund 7,4% bekämpfen.⁵ Der hohe Zins zieht kurzfristig Kapital an, belastet aber gleichzeitig die Wirtschaft und die Budgeteinnahmen.⁶
Faktoren für die aktuelle Entwicklung
- Kapitalverkehrskontrollen: Die obligatorische Verkaufspflicht für Exporterlöse bleibt der wichtigste Stützpfeiler für den Rubel.³ Jegliche Lockerungen dieser Maßnahmen haben sofort spürbare Auswirkungen auf den Wechselkurs.
- Hohe Zinsen und Inflation: Der hohe Leitzins soll die Inflation eindämmen, macht aber Rubel-Anlagen für Spekulanten attraktiv, die Zugang zum Markt haben.⁵ Die hohe Inflation nagt gleichzeitig an der Kaufkraft.
- Schwäche des US-Dollars: Phasen globaler USD-Schwäche, beeinflusst durch die Geldpolitik der US-Notenbank Fed oder globale Risikostimmung, können den Rubel relativ zum Dollar stärken.⁷
- Ölpreisentwicklung: Trotz der geringeren Bedeutung für den Kurs aufgrund der Kontrollen, beeinflussen schwankende Ölpreise die Menge der Devisen, die ins Land kommen und zwangsweise getauscht werden müssen. Niedrige Preise bedeuten weniger Devisenfluss.²
Prognose und Ausblick
Der aktuelle Kurs wird stark durch die genannten künstlichen Faktoren bestimmt. Laut einer aktuellen Reuters-Umfrage unter Analysten wird erwartet, dass der Rubel bis Ende September 2025 auf etwa 97 pro Dollar schwächeln wird. Innerhalb eines Jahres, also bis September 2026, sehen die Prognosen den Rubel bei rund 100 pro Dollar.⁸ Die Zentralbank dürfte die Zinsen erst schrittweise senken, wenn die Inflation deutlich und nachhaltig zurückgeht. Größere Lockerungen werden frühestens im dritten Quartal 2025 oder später erwartet.⁹ Ölpreisentwicklungen bleiben ein wichtiger externer Faktor, der über die Einnahmen den Druck auf die Kontrollen oder die Währungspolitik beeinflussen kann.
Auswirkungen auf den Devisenmarkt
Der Rubel ist aufgrund der Kapitalverkehrskontrollen für viele internationale Investoren schwer direkt handelbar. Er dominiert jedoch innerhalb der sanktionierten oder nahestehenden Märkte. Arbitrage-Chancen ergeben sich über Non-Deliverable Forwards (NDFs) und Proxy-Trades in Nachbarländern.¹⁰ NDFs ermöglichen Wetten auf den zukünftigen Rubelkurs, ohne die Währung physisch tauschen zu müssen, was sie zu einem wichtigen Barometer für die Offshore-Stimmung macht.
Handelsempfehlung
Angesichts der Prognosen, die eine moderate Abschwächung des Rubels gegenüber dem US-Dollar erwarten, und der strukturellen Einflüsse durch staatliche Eingriffe empfehlen wir, sich auf eine Aufwertung des US-Dollars gegenüber dem Rubel einzustellen.
- Rating: Buy (USD/RUB)
- Kursziel: 100 RUB/USD
- Potenzielles Aufwärtspotenzial für USD/RUB: ca. 25 % (ausgehend von einem Niveau um 80 RUB/USD)
- Zeithorizont:
- Kurzfristig: Halten bestehender Positionen / Beobachten, da temporäre Stabilisierungen oder gar Stärkungen durch unerwartete Maßnahmen möglich sind.
- Langfristig (6-12 Monate): Aufbauen / Aufstocken von Long-Positionen in USD/RUB, um von der erwarteten Abwertung des Rubels zu profitieren.
Mögliche Katalysatoren
- Entscheidungen von OPEC+ zur Ölproduktion und daraus resultierende Ölpreisbewegungen.¹¹
- Anpassungen oder Aufhebung der Kapitalverkehrskontrollen in Moskau.⁴
- Politische Entwicklungen im Ukraine-Konflikt und die Entwicklung internationaler Sanktionen.
- Änderungen der Zinspolitik durch die russische Zentralbank.⁵
- Geopolitische Ereignisse, die globale Risikoaversion beeinflussen.
Vergleichbare Währungspaare
- EUR/RUB: Zeigt ähnliche Tendenzen wie USD/RUB, da der Euro als zweite wichtige Handelswährung für Russland fungiert.
- CNY/RUB: Wird aufgrund des wachsenden bilateralen Handels zwischen Russland und China immer wichtiger.
- USD/TRY (Türkische Lira): Ein Beispiel für eine andere Währung eines Emerging Markets mit hoher Inflation und potenziellen politischen Einfluss auf die Geldpolitik, auch wenn die spezifischen Mechanismen anders sind.
Fazit bzw. Zusammenfassung
Der aktuelle starke Rubel ist primär ein Produkt staatlicher Intervention und nicht marktgetriebener wirtschaftlicher Stärke. Die Kombination aus Kapitalverkehrskontrollen und hohen Zinsen stützt den Kurs künstlich, während gleichzeitig der starke Rubel und volatile, tendenziell niedrigere Ölpreise den russischen Staatshaushalt erheblich belasten. Angesichts der erwarteten Lockerung dieser Stützungsmaßnahmen und der fundamentalen wirtschaftlichen Herausforderungen wird eine moderate Abschwächung des Rubels prognostiziert. Unsere Trading-Empfehlung lautet daher, sich im USD/RUB auf steigende Notierungen (Rubel-Abwertung) einzustellen und entsprechende Positionen langfristig aufzubauen. Wie immer bei Investments in Schwellenländerwährungen, insbesondere in geopolitisch unsicheren Zeiten, sind die Risiken hoch und volatile Schwankungen jederzeit möglich.