Die US-Notenbank Federal Reserve hat ihre eigene Zinswende offenbar nicht geschlossen abgestimmt. Das geht aus den am Mittwochabend veröffentlichten Protokollen der September-Sitzung hervor. Demnach waren die Meinungen innerhalb des Offenmarktausschusses (FOMC) tief gespalten.
Divergierende Stimmen in der Federal Reserve
Warum der Dollar trotz Zinssenkung Stärke zeigt – und weshalb Investoren mit Volatilität rechnen müssen
Während einige Mitglieder eine weitere Lockerung befürworteten, warnten andere vor den Inflationsrisiken einer zu expansiven Politik. Die Zentralbank hatte den Leitzins im September um 25 Basispunkte auf 4,00 bis 4,25 Prozent gesenkt. Besonders auffällig: Der neue Fed-Direktor Stephen Miran, ein enger Vertrauter von US-Präsident Donald Trump, forderte gar eine Senkung um 50 Basispunkte – eine Forderung, die Beobachter als politisch motiviert werten.
Ökonomen mahnen zur Vorsicht
Mehrere prominente Stimmen aus der Ökonomie sehen in der aktuellen Zinsstrategie der Fed eine gefährliche Gratwanderung.
Der frühere US-Finanzminister Larry Summers warnte in einem Interview mit Bloomberg, dass die Notenbank „Gefahr läuft, die Inflationsdynamik erneut zu unterschätzen“. Eine überzogene Lockerung könne, so Summers, die Preisstabilität gefährden und mittelfristig „einen Glaubwürdigkeitsverlust der Fed“ nach sich ziehen.
Auch Mohamed El-Erian, Chefökonom bei Allianz und Harvard-Professor, betonte gegenüber dem Financial Times, die aktuellen Protokolle zeigten eine „asymmetrische Risikowahrnehmung innerhalb der Fed“: Manche Mitglieder reagierten zu stark auf konjunkturelle Schwächen, andere blendeten strukturelle Inflationsrisiken aus.
Fed-Chef Jerome Powell versuchte in einer Rede am Rande der Sitzung zu beschwichtigen: „Wir sehen die Zinssenkung als vorsichtige Anpassung, nicht als neuen Kurswechsel.“ Doch an den Märkten überwiegt Skepsis.
Faktoren der aktuellen Entwicklung
Trotz der Senkung bleibt die US-Inflation mit 2,9 Prozent über dem Zielwert, während die US-Wirtschaft nach wie vor leicht über Potenzial produziert (Output-Lücke: +0,14 %).
Der reale Gleichgewichtszins, der langfristig Wachstum und Preisstabilität sichern soll, liegt laut aktuellen Berechnungen bei 4,67 Prozent – und damit deutlich über dem aktuellen Leitzins.
Hinzu kommt die Zinsdifferenz zwischen der Eurozone und den USA: Mit 4,00 % gegenüber 2,15 % im Euroraum bleibt der Zinsvorteil klar auf US-Seite. Diese Differenz ist einer der Hauptgründe, warum der US-Dollar seine Stärke beibehält.
Der faire Wert des EUR/USD liegt auf Basis der Kaufkraft- und Zinsparität bei rund 1,1550 – während der Markt aktuell bei 1,1720 notiert. Der Euro gilt somit als überbewertet.
Marktausblick: Dollar im Vorteil
Die Mehrheit der Analysten rechnet mit einer kurzfristigen Fortsetzung der Dollar-Stärke.
Ein stärkerer Greenback wirkt traditionell dämpfend auf Rohstoffpreise, gleichzeitig profitieren europäische Exporteure von einem schwächeren Euro.
- Kursziel 3 Monate: 1,1550
- Kursziel 12 Monate: 1,1300
- Potenzial: −1,5 % (kurzfristig), −3,6 % (langfristig)
Das Marktumfeld bleibt allerdings volatil. Sollte die Fed erneut auf politische Forderungen reagieren, könnten Kapitalströme schnell umschlagen.
Auswirkungen auf Investoren und Sektoren
Ein festerer Dollar wirkt sich unterschiedlich auf die Märkte aus:
- US-Exportwerte wie Boeing und Caterpillar geraten unter Druck.
- Europäische Exporttitel wie Siemens, SAP und LVMH profitieren von einem schwächeren Euro.
- Rohstoffpreise – insbesondere Gold und Öl – reagieren empfindlich auf die Dollarentwicklung.
- US-Anleihen bleiben aufgrund der Renditedifferenz attraktiv für institutionelle Investoren.
El-Erian betont: „Für Investoren ist jetzt Risikomanagement wichtiger als Richtungstrading. Die Phase klarer Dollar-Trends ist vorbei – stattdessen bestimmen geldpolitische Zwischentöne den Markt.“
Handelsempfehlung und Bewertung
Zeitraum | Empfehlung | Rating | Kursziel | Potenzial |
---|---|---|---|---|
Kurzfristig (1–3 Monate) | Verkauf EUR/USD | Sell / Underweight | 1,1550 | −1,5 % |
Langfristig (6–12 Monate) | Verkauf EUR/USD | Strong Sell / Underperform | 1,1300 | −3,6 % |
Mögliche Katalysatoren:
- Stärker als erwartete US-Inflationsdaten
- Hawkische Aussagen aus der Fed
- Schwächere Konjunkturzahlen aus der Eurozone
- Politischer Druck auf die Geldpolitik durch das Weiße Haus
Vergleichbare Währungspaare: USD/JPY (weiteres Aufwertungspotenzial), GBP/USD (volatil, Dollar-stützend).
Fazit: Politik gegen Ökonomie – der Dollar bleibt Anker
Die US-Notenbank ringt mit sich selbst – und der Dollar profitiert davon.
Während die politischen Strömungen in Washington auf niedrige Zinsen drängen, zeigen die Modelle der Ökonomen klar: Ein höherer Leitzins wäre fundamental gerechtfertigt.
Für Anleger bleibt der US-Dollar damit die stabilere Währung – getragen von höherer Rendite, wachsender Risikoaversion und struktureller Stärke.
Empfehlung: EUR/USD – Strong Sell
Zeithorizont: Negativ für den Euro (3–12 Monate)
Redaktionelles Fazit: Die Fed ringt um Richtung, der Markt entscheidet sich längst – für den Dollar.