Eli Lilly beeindruckte im zweiten Quartal 2025 mit starken Zahlen: ein Umsatzplus von rund 38 % auf 15,56 Mrd USD und überragende Verkäufe von Mounjaro und Zepbound. Doch die Freude währte nur kurz: Die Aktie erlebte ihren stärksten Tagesverlust seit Jahrzehnten – ausgelöst durch enttätigende Studiendaten für den viel erwarteten oraler GLP‑1‑Wirkstoff orforglipron.
Der große Rückschlag: Lillys Abnehmpille enttäuscht – Novo Nordisk atmet auf
Ein Beben erschütterte am Donnerstag den lukrativen Markt für Adipositas-Medikamente: Eli Lillys mit Spannung erwartete Phase-III-Studie zur oralen Abnehmtablette Orforglipron verfehlte die hochgesteckten Erwartungen. Während Patienten mit der höchsten Dosis des GLP-1-Rezeptoragonisten im Schnitt nur 12,4 % ihres Körpergewichts verloren, hatte Konkurrent Novo Nordisk mit seiner injizierbaren Alternative Wegovy in vergleichbaren Studien 14–15 % Reduktion erreicht. Die unmittelbaren Folgen waren dramatisch: Lillys Aktie stürzte um über 14 % ab und notierte mit 640,60 US-Dollar auf dem tiefsten Stand seit Januar 2024. Zeitgleich erlebte Novo Nordisk, zuvor selbst unter Verkaufsdruck, einen Mega-Rebound von bis zu 9 % in Kopenhagen.
Die Studiendaten im Fokus: Warum der Markt reagierte wie ein nervöses Electrocardiogramm
Orforglipron, ein nicht-peptidischer, oraler GLP-1-Agonist, erreichte zwar alle primären und sekundären Endpunkte der Studie ATTAIN-1 – darunter Verbesserungen bei kardiovaskulären Risikofaktoren wie Cholesterin und Blutdruck. Doch die Kernzahl, der durchschnittliche Gewichtsverlust, blieb mit 11–12,4 % deutlich hinter den 14,9 % von Wegovy (Semaglutid) zurück. Analysten wie Richard Vosser von JPMorgan werteten dies als Signal für nachlassenden Wettbewerbsdruck auf Novo Nordisk. Besonders bitter für Lilly: Die Pille galt als potenzieller Game-Changer, da sie – als einfacher zu verabreichende Alternative zu Spritzen – einen größeren Patientenkreis hätte erschließen können.
Ein Paradox: Starke Quartalszahlen werden zum Nebenschauplatz
Ironischerweise präsentierte Eli Lilly zeitgleich mit den enttäuschenden Studiendaten herausragende operative Ergebnisse:
- Umsatz im Q2 2025: +38 % auf 15,56 Mrd. USD, getrieben von der Nachfrage nach dem Adipositas-Medikament Zepbound (+172 %) und dem Diabetes-Präparat Mounjaro.
- Gewinn je Aktie (EPS): +92 % auf 6,29 USD (bereinigt: +61 % auf 6,31 USD).
- Prognose 2025: Anhebung der Umsatzerwartung auf 60–62 Mrd. USD (zuvor 58–61 Mrd.) und des EPS auf 20,85–22,10 USD.
Doch diese positiven Signale verhallten ungehört. Selbst der Hinweis auf eine geplante Produktionssteigerung um 60 % bei Incretin-Medikamenten konnte den Ausverkauf nicht stoppen.
Tabellenvergleich der Adipositas-Therapien:
Präparat (Hersteller) | Wirkstoff | Gewichtsreduktion | Verabreichung |
---|---|---|---|
Orforglipron (Lilly) | oraler GLP-1 | 11–12,4 % | Tablette |
Wegovy (Novo Nordisk) | Semaglutid | 14–15 % | Injektion |
Zepbound (Lilly) | Tirzepatid | >15 % | Injektion |
Der Aktienmarkt als Stimmungsbarometer: Eine Branche im Umbruch
Die Kurssturz bei Lilly (–35,4 % seit Jahreshoch) und der Aufschwung bei Novo verdeutlichen, wie sehr der Pharmasektor an Erwartungen an „Blockbuster-Potenziale“ geknüpft ist. Novo Nordisk, dessen Aktie zuletzt unter Konkurrenzsorgen litt, nutzte die Schwächephase des Rivalen für einen intraday-Rebound von fast 10 %. Analysten wie Florent Cespedes (Bernstein Research) erinnerten jedoch daran, dass auch Novo mit einer oralen Semaglutid-Variante (Einnahme mit nüchternem Magen) auf Zulassung hofft – ein Faktor, der Orforgliprons Marktchancen weiter verdunkeln könnte .
Ein Rückschlag, aber kein Rückschritt
Trotz der Enttäuschung hält Lilly an der weltweiten Zulassung von Orforglipron bis Ende 2025 fest. Die Pille bleibt ein strategisches Asset: Sie ist einfacher zu produzieren als injizierbare Alternativen und könnte kostengünstiger angeboten werden – ein Vorteil im Preiskampf um Massenmärkte. Für Anleger jedoch steht fest: Der „Pillen-Hype“ im Adipositas-Sektor hat eine Dämpfung erfahren. Der Wettlauf zwischen Lilly und Novo dreht sich nun nicht mehr um die Frage „Wer zuerst kommt?“, sondern „Wer besser wirkt?“. Die nächste Runde beginnt im September: Dann will Lilly die Studiendetails auf der European Association for the Study of Diabetes (EASD) präsentieren – ein Termin, den die Finanzwelt rot im Kalender markieren sollte.
„Mit Orforglipron arbeiten wir daran, die Adipositasbehandlung zu revolutionieren […] als bequeme Alternative zu injizierbaren Behandlungen.“
— Kenneth Custer, Executive VP bei Lilly
Aktuelle Lage
Im Fokus des Tages stand die Phase‑III‑Studie zu orforglipron: Patienten verloren im höchsten Testdosis-Szenario lediglich 12,4 % Körpergewicht in 72 Wochen – deutlich weniger als erwartet (Wall-Street-Prognose: 13–15 %) und hinter dem Spitzenwert von Wegovy zurück (≈14,9 %). Die Aktie reagierte prompt mit einem Rückgang zwischen 13 und 15 %. Gleichzeitig hob Lilly jedoch die Jahresprognosen an – auf Umsätze zwischen 60 und 62 Mrd USD und Gewinn pro Aktie von 21,75 bis 23,00 USD.
Faktoren für die aktuelle Entwicklung
- Pipeline-Schock: orforglipron enttäuschte die Anleger, obwohl es eine beachtliche Gewichtsreduktion erzielt – der Mehrwert gegenüber bestehenden injectables wie Wegovy war zu gering.
- Marktdruck durch Novo: Novo Nordisk als direkter Wettbewerber profitiert massiv – dessen Aktie steigt im Zuge der Enttäuschung bei Lilly um etwa 7 %.
- Solide Kerngeschäfte: Trotz dem Pipeline-Rückschlag bleibt Lilly stark – wie die herausragenden Umsatzwerte seiner Spritzenpräparate zeigen.
Prognose & Ausblick
Orforglipron bleibt in der Pipeline, Lilly will den Antrag auf Zulassung bis Jahresende stellen – Convenience und Skalierbarkeit zählen zu den Argumenten für eine langfristige Marktchance. Analystenmeinungen gehen auseinander: Manche erkennen in der Korrektur eine Kaufgelegenheit, andere reduzieren ihre Erwartungen.
Auswirkungen auf Investoren & Börsen
Der Kursrückgang schrumpfte Marktkapitalisierung und Anlegerstimmung – doch das solide Q2-Ergebnis dämpft Panik. Anleger suchen nun Alternativen: Viking Therapeutics und Structure Therapeutics gewinnen als Investitionsziele im oralen Abnehmmittelbereich an Attraktivität.
Handelsempfehlung
- Rating: Neutral / Accumulate
- Empfehlung: Halten bzw. selektiv Nachkaufen (Accumulate)
- Kursziel: 750 USD (12‑Monats-Zeithorizont)
- Potenzial: ±10–15 % abhängig von zukünftigen Pipeline-Erfolgen
Zeithorizont:
- Kurzfristig: erhöhter Volatilität ausgesetzt – Halten empfohlen.
- Langfristig: Chance auf Erholung bei Zulassung oder überarbeiteten Studiendaten für orforglipron.
Katalysatoren:
- Zulassungsentscheidungen für orforglipron.
- Zusätzliche positive Daten von Zepbound und Mounjaro.
- Fortschritte bei Adressierung der Nebenwirkungen/Dropout-Rate.
Vergleichbare Aktien:
- Novo Nordisk (NVO) – profitiert direkt vom Wettbewerbsrückschlag.
- Viking Therapeutics (VKTX) und Structure Therapeutics (GPCR) – als aufstrebende Orale‑GLP‑1‑Entwickler im Fokus.
Fazit / Zusammenfassung
Eli Lilly liefert ein gemischtes Bild: Starke Zahlen rund um Mounjaro und Zepbound kontrastieren mit einer enttäuschenden oralen Pipeline. Der Markt reagiert volatil, die aktuelle Haltung ist daher neutral bis leicht positiv mit selektivem Nachkaufpotenzial, bei einem Kursziel von 750 USD. Entscheidend werden die Zukunftsaussichten orforgliprons sowie regulatorische Entwicklungen sein.