Die KI-Story dominiert die Börsen – doch immer mehr Mega-Deals zwischen den großen Plattformen und OpenAI nähren den Verdacht „synthetischer“ Wachstumsschübe: Milliardeninvestments, Vorab-Abnahmeverträge und Kapazitätsgarantien, die quer durch die Bilanzen laufen. Kritiker wie „Big-Short“-Investor Michael Burry warnen vor einer Blase, die von gegenseitigen Verpflichtungen lebt, nicht von organisch wachsenden Endkundenumsätzen. Zugleich bleiben Kurse hoch, die Marktbewertung (Buffett-Indikator) liegt über 220 %, die Shiller-CAPE nahe 40 – historisch ambitioniert.
Aktuelle Lage: Kreislauf aus Chips, Cloud und Kapital
In den letzten Wochen wurden die gegenseitigen Verflechtungen noch enger: Nvidia kündigte an, bis zu 100 Mrd. $ in OpenAI zu investieren – gekoppelt an die Lieferung von Rechenzentrums-Chips. Parallel schloss OpenAI milliardenschwere Cloud-Verträge mit Oracle (berichtet: 300 Mrd. $ über mehrere Jahre) sowie mit AWS (38 Mrd. $ über sieben Jahre) und behält zugleich große Azure-Kontingente. CoreWeave wiederum erhielt neue Milliardenkredite und Verträge – teils mit Abnahmegarantien durch Nvidia. Das schafft spektakuläre Auftragseingänge auf allen Seiten – und die Frage, wie viel Nachfrage „echt“ ist und wie viel aus konzernübergreifenden Verpflichtungen stammt.
Faktoren der Entwicklung: „Zirkuläre“ Finanzierung, Capex-Boom, Bewertungsdruck
Drei Kräfte treiben die Lage: (1) Vorfinanzierung und Kapazitätsgarantien, die Umsätze zeitlich vorziehen und visibel machen (Nvidia-OpenAI, Nvidia-CoreWeave, OpenAI-Oracle/AWS/Azure). (2) Ein historischer Capex-Zyklus der „Mag 7“, der heute die GuV belastet, aber die Story von morgen erzählen soll. (3) Bewertungsniveaus, die wenig Toleranz für Enttäuschungen lassen – Burry mahnt entsprechend, „der einzige Gewinnzug sei mitunter, nicht mitzuspielen“.
Prognose & Ausblick: Mehr Transparenzpflicht, mehr Dispersion
Kurzfristig dürfte das Band zwischen Ankündigung und Kursreaktion enger werden: Jeder neue Rahmenvertrag wirkt wie ein Katalysator. Mittelfristig rechnen wir mit mehr Dispersion: Firmen mit klar nachweisbarem, zahlendem Endkundengeschäft (Cloud-Nutzung außerhalb reiner KI-Trainings, margenstarke Softwareabos, Edge-AI in der Breite) setzen sich gegenüber Anbietern durch, deren Wachstum überdurchschnittlich von gegenseitigen Verpflichtungen lebt. Regulatorisch könnte Antitrust-Druck auf cross-holdings und Kapazitätsgarantien steigen.
Auswirkungen auf Investoren & Börsen: Konzentrationsrisiken bleiben hoch
Indexseitig bleibt das Konzentrationsrisiko durch Mag-7-Gewichte erheblich – Rücksetzer einzelner Schwergewichte schlagen auf S&P/Nasdaq durch. Makroseitig deuten Buffett-Indikator (~220 %) und Shiller-CAPE (~40) auf ein geringes Fehlertoleranzfenster hin: Enttäuschen KI-Monetarisierung oder KI-Unit-Economics, droht rasche Bewertungsnormalisierung – erst in den Multiples, dann in den Kursen.
Handelsempfehlung & Titelideen (mit Kurszielen, Potenzial, Zeithorizont)
Nvidia (NVDA) – These: Weltmarktführer bei KI-Silicon; zugleich im Zentrum der „zirkulären“ Deals.
Rating (3–6 M): Underweight / Reduce, Kursziel 180 $ (−10 % ggü. ~199 $), Abwärtsrisiko −20 %, Aufwärtschance +15 % bei weiterem Order-Momentum. (12–18 M): Neutral. Katalysatoren: Lieferroadmap, Margenmix, Antitrust-News.
Oracle (ORCL) – These: Cloud-Turnaround mit XXL-OpenAI-Deal; Sichtbarkeit hoch, Ausführungsrisiko ebenso.
Rating (3–6 M): Neutral, Kursziel 230 $ (−4 % ggü. ~241 $). (12–18 M): Outperform, Ziel 265 $ (+10 %). Katalysatoren: Onboarding-Tempo OpenAI, Capex & Marge OCI.
Microsoft (MSFT) – These: Diversifiziertester KI-Spielzug (Azure, Copilot), weniger abhängig von Einzelverträgen.
Rating (3–6 M): Hold, Kursziel 520 $ (+3 % ggü. ~506 $). (12–18 M): Outperform, Ziel 575 $ (+14 %). Katalysatoren: Copilot-ARPU, Azure-Wachstum ex-OpenAI.
Amazon (AMZN) – These: AWS-Hebel durch OpenAI-Training und Anthropic-Tie-up.
Rating (3–6 M): Accumulate / Overweight, Kursziel 275 $ (+11 % ggü. ~248 $). (12–18 M): Outperform, Ziel 305 $. Katalysatoren: Bedrock-Traktion, AI-Workloads, Retail-Marge.
Alphabet (GOOGL) – These: Solide KI-Pipeline, Werbemarkt robust; Bewertungs-„Airbag“ gegenüber Peers.
Rating (3–6 M): Accumulate, Kursziel 320 $ (+10 % ggü. ~290 $). (12–18 M): Outperform. Katalysatoren: Search-Monetarisierung, Cloud-Profitabilität.
CoreWeave (CRWV) – These: Reiner KI-Infrastruktur-Play mit hoher Operating-Leverage, aber Verträge stark konzentriert.
Rating (3–6 M): Neutral / High-Beta-Trade, Kursziel 110 $ (~+4 % ggü. ~106 $). Katalysatoren: Auslastung, Finanzierungskonditionen, Nvidia-Abnahmegarantie.
Mögliche Katalysatoren (positiv/negativ)
- Positiv: Neue GPU-Generationen & bessere TCO, schnellere Inferenz-Monetarisierung, regulatorische Klarheit.
- Negativ: Antitrust-Verfahren gegen Beteiligungen/Abnahmegarantien; Verzögerungen bei Rechenzentrums-Bau; OpenAI-Multi-Cloud-Deals, die sich längerfristig als teurer als geplant erweisen.
Vergleichbare Aktien & Sektoren
Chips/Foundry: AMD, Broadcom, TSMC, ASML. Infrastruktur: Arista Networks, Super Micro, Equinix, Digital Realty. Plattformen: Meta (Werbe-KI), Apple (Edge-KI-Ökosystem). Diese Körbe korrelieren stark mit der Kapitalintensität der KI-Trainingswelle – Gewinner sind jene, die von breiter Endkundennutzung profitieren, nicht nur vom nächsten Trainings-Cluster. (Markt-Dispersion beachten.)
Fazit
Die KI-Hausse lebt – aber ein spürbarer Teil der Schlagzeilen entsteht aus gegenseitigen Verpflichtungen: Investitionen, Vorab-Abnahmen, Kapazitätsgarantien. Das ist nicht per se „schlecht“, erhöht aber die Beweispflicht für echte Monetarisierung. Unsere taktische Botschaft: Selektivität vor Größe. Kurzfristig Reduce/Underweight bei Titeln mit hohem „Deal-Beta“ (NVDA), Neutral bei Story-Titeln mit Ausführungsrisiko (ORCL, CRWV) und Accumulate/Outperform bei breiter monetarisierenden Plattformen (MSFT, AMZN, GOOGL). Wer Ruhe sucht, setzt auf Diversifikation und beobachtet drei Ampeln: Antitrust-Risiko, Capex-Disziplin, Endkunden-Cashflows. Wenn diese auf Grün springen, trägt die KI-Story auch jenseits zirkulärer Finanzierung.




