Die jüngsten Protokolle der US-Notenbank Federal Reserve offenbaren ein tiefes Auseinanderdriften der geldpolitischen Lager. Nachdem der Leitzins im September um 25 Basispunkte auf die Spanne von 4,00 bis 4,25 Prozent gesenkt wurde, zeigen die Mitschriften der Sitzung, dass die Währungshüter in entscheidenden Fragen uneins sind.
Einige Mitglieder hätten demnach eine Zinspause bevorzugt, andere sprachen sich für eine kräftigere Lockerung um 50 Basispunkte aus. Diese Polarisierung verdeutlicht die Spannung zwischen ökonomischer Analyse und politischer Einflussnahme.
US-Notenbank zwischen politischem Druck und ökonomischer Notwendigkeit
Besonders brisant: Fed-Direktor Stephen Miran – ein enger Vertrauter von US-Präsident Donald Trump – drängt auf eine deutlich expansivere Geldpolitik. Trump selbst fordert seit Monaten deutliche Zinssenkungen, um das Wachstum vor der Präsidentschaftswahl zu stützen. In den Modellen der Ökonomen ergibt sich jedoch ein anderes Bild: Danach wäre ein höherer Leitzins eigentlich angebracht.
Fundamentale Bewertung: Modelle sprechen für steigende Zinsen
Nach Berechnungen auf Basis von Kaufkraftparität (KKP), Zinsparität und Futures ergibt sich für den EUR/USD ein fairer Kurs von 1,1558 US-Dollar – deutlich unter dem aktuellen Marktniveau von 1,1720.
Damit ist der Euro fundamental überbewertet. Die Zinsdifferenz zwischen den USA (4,0 %) und der Eurozone (2,15 %) bleibt erheblich, was strukturell für einen stärkeren Dollar spricht. Auch der Renditeabstand der zehnjährigen Staatsanleihen – US-Treasury 4,13 % vs. Bund 2,68 % – verstärkt diesen Trend.
Laut einer aktuellen Modellrechnung liegt der theoretisch optimale Leitzins der Fed bei 4,67 Prozent. Ökonomisch betrachtet müsste die US-Notenbank also Zinsen erhöhen, nicht senken, um Preisstabilität und neutrale Realzinsen zu gewährleisten.
Faktoren der Marktbewegung: Inflation und Politik im Clinch
Mit einer US-Inflationsrate von 2,9 Prozent bleibt die Teuerung über dem Zielwert, während die Wirtschaft weiterhin über Potenzial produziert. Die sogenannte Output-Lücke liegt bei +0,14 Prozent – ein Hinweis auf eine leicht überhitzte Konjunktur.
Unter diesen Umständen erscheint die Zinssenkung vom September vor allem als politisches Zugeständnis. Die Märkte nehmen dies zunehmend kritisch wahr: Der US-Dollar-Index (DXY) stieg zuletzt auf 98,90 Punkte, da Investoren auf eine Rückkehr zu einer restriktiveren Linie setzen.
Marktausblick: Dollar dürfte sich weiter festigen
Für die kommenden Monate erwarten Analysten, dass sich der Dollar tendenziell aufwertet. Die fundamental gerechtfertigte Zielzone für den EUR/USD liegt bei 1,1550 kurzfristig und 1,1300 im Jahresverlauf.
Sollte die Fed in den kommenden Sitzungen Signale für eine stabilere Geldpolitik senden oder erneut auf steigende Inflationsrisiken verweisen, dürfte die US-Währung zusätzlichen Auftrieb erhalten.
Kursziel (3 Monate): 1,1550 USD
Kursziel (12 Monate): 1,1300 USD
Potenzial: –1,5 % kurzfristig / –3,6 % langfristig
Auswirkungen auf Investoren und Börsen
Ein stärkerer Dollar birgt Risiken und Chancen gleichermaßen.
- Exportorientierte US-Unternehmen wie Caterpillar oder Boeing könnten durch Währungsverluste im Auslandsgeschäft belastet werden.
- Europäische Konzerne wie Siemens, Airbus und LVMH profitieren dagegen von einem schwächeren Euro, da ihre in Dollar fakturierten Umsätze zunehmen.
- Rohstoffmärkte, insbesondere Gold und Öl, stehen bei einem festen Dollar tendenziell unter Druck, was wiederum deflationäre Impulse auf die globalen Märkte auslösen kann.
Für institutionelle Investoren bleibt die USD-Positionierung strategisch attraktiv, insbesondere in Kombination mit US-Treasuries mittlerer Laufzeit.
Analysteneinschätzungen und Handelsempfehlung
Zeithorizont | Empfehlung | Rating | Kursziel | Potenzial |
---|---|---|---|---|
Kurzfristig (1–3 Monate) | Verkauf EUR/USD | Sell / Underweight | 1,1550 | −1,5 % |
Langfristig (6–12 Monate) | Verkauf EUR/USD | Strong Sell / Underperform | 1,1300 | −3,6 % |
Mögliche Katalysatoren:
- Stärkere US-Inflationsdaten
- Hawkische Äußerungen von Fed-Mitgliedern
- Schwächere Konjunkturdaten aus der Eurozone
- Politische Einmischung Trumps in geldpolitische Entscheidungen
Vergleichbare Währungspaare: USD/JPY (weiterer Aufwertungsspielraum), GBP/USD (volatil, aber ebenfalls USD-stützend).
Fazit: Fed steuert im Nebel – Märkte vertrauen auf den Dollar
Die Divergenz innerhalb der Fed verschärft die Unsicherheit an den Märkten. Während der politische Druck auf Zinssenkungen wächst, mahnen die ökonomischen Indikatoren zur Vorsicht. Der Dollar profitiert derzeit von dieser Diskrepanz – als sicherer Hafen und als Währung mit strukturellem Zinsvorteil.
Für Anleger bleibt der US-Dollar damit die bevorzugte Wahl im globalen Devisenuniversum.
Empfehlung: EUR/USD – Strong Sell (Kursziel 1,1550 / 1,1300)
Zeithorizont: Kurz- bis langfristig negativ für den Euro