Die wichtigsten europäischen Aktienindizes verzeichneten zum Wochenschluss deutliche Zugewinne, gestützt von fortschreitenden Handelsgesprächen zwischen den USA und China, starken Unternehmensgewinnen und positiven europäischen Konjunkturdaten. So stieg der STOXX 600 um 0,42 % auf ein neues Wochenhoch, während der DAX mit einem Plus von 0,30 % erstmals in dieser Woche ein Rekordhoch markierte. Treiber waren vor allem die zyklischen Sektoren Health Care und Luxusgüter, die von erfreulichen Quartalsberichten profitierten. Die Kurserholung erfolgte vor dem Hintergrund, dass Fed‑Chef Jerome Powell auf mögliche dauerhaft höhere Inflationsraten hinwies und damit die Zinsdiskussion weiter befeuerte. Gleichzeitig untermauerte ein starker Anstieg der schweizerischen Industrieproduktion im ersten Quartal die Zuversicht in eine anhaltende Wirtschaftserholung.
Analyse der aktuellen Lage
Die jüngsten Fortschritte in den Gesprächen zwischen den USA und China zur Reduzierung von Zöllen haben das Vertrauen der Investoren gestärkt und globale Risikowährungen gestützt. Zugleich sorgten solide Quartalszahlen von Richemont mit einem Umsatzplus von 7 % und einem Kursanstieg von 6,5 % für gute Stimmung im Luxussegment. In der Eurozone stieg der Handelssaldo im März auf 36,8 Mrd. EUR, was auf eine robuste Nachfrage nach europäischen Exporten in die USA hindeutet. Auf der anderen Seite mahnen Notenbankvertreter zu Vorsicht: Martins Kazaks von der EZB hält eine Marktprognose für eine Zinssenkung im Juni für „relativ angemessen“, was die Zinsdifferenz zu den USA tendenziell verringert.
Faktoren für die Situation
- Handelsfront: Die Aussicht auf einen 90‑tägigen Zollmoratorium zwischen Washington und Peking hat die globalen Lieferketten entspannt und die Stimmung der Marktteilnehmer gehoben.
- Unternehmensgewinne: Starke Ergebnisse von Richemont, Novo Nordisk und Bayer haben die Sektoren Luxusgüter und Health Care beflügelt.
- Makrodaten: Die Schweizer Industrieproduktion legte im ersten Quartal unerwartet kräftig zu und signalisiert eine anziehende europäische Konjunktur.
- Notenbankpolitik: Fed‑Chef Powell warnt vor steigender Kerninflation, während EZB‑Vertreter erste Zinssenkungen andeuten – unklare Zinsrichtung erhöht die Volatilität.
- Geopolitik: Fortschreitende Friedensgespräche in der Ukraine und Entspannung im Nahost-Konflikt könnten das Risikobarometer weiter senken.
Chancen und Risiken für Investoren
Chancen
- Carry‑Trades: Anhaltend niedrige Zinsen in der Eurozone – trotz möglicherweise sich abzeichnender EZB‑Senkungen – stützen höhere Renditen in Carry‑Strategien.
- Sektorenrotation: Health Care und Luxusgüter bieten mit defensivem Charakter und stabilen Cashflows einen Schutz gegen Marktausverkäufe.
- Exportstarke Titel: Europäische Industriewerte profitieren von einer Erholung der Weltwirtschaft und einer schwächeren Gemeinschaftswährung.
Risiken
- Zinsunsicherheit: Divergente Signale von Fed und EZB können zu abrupten Zinsbewegungen führen und Risikoassets belasten.
- Handelsrückschläge: Ein Scheitern der Zollgespräche oder neue Eskalationen im US‑China‑Konflikt könnten die Erholung schnell zunichte machen.
- Geopolitische Spannungen: Ein Wiederaufflammen des Ukraine‑Kriegs oder anderer Konflikte erhöht das Risiko einer „Risk-off“-Rally.
Prognose und Ausblick
Kurzfristig dürfte der STOXX 600 in einer Range zwischen 420 Punkten und 430 Punkten pendeln, bis weitere handelspolitische Klarheit eintritt. Mittelfristig (6–12 Monate) steht ein Aufwärtspotenzial bis auf 450 Punkte im Raum, sofern die US‑China‑Einigung hält und die Euro‑Wirtschaft nicht durch neue Energiekrisen gebremst wird.
Profiteure und Verlierer
- Gewinner-Sektoren:
- Health Care: Novo Nordisk, Novartis (Sektor +1,7 %)
- Luxusgüter: Richemont, LVMH, L’Oreal (Luxusindex +2 %)
- Industrie: Siemens Healthineers, Deutsche Börse (positives Q1-Momentum)
- Verlierer-Sektoren:
- Energie: BP, Equinor (Profitabilität unter Druck durch Angebotserweiterungen)
- Finanzwerte: Versicherer wie Munich Re und Hannover Re (Belastung durch Großschäden)
- Reise & Freizeit: Airlines, Hotellerie (volatile Nachfrage)
- Rohstoffe: Öl bleibt unter Angebotsdruck (Brent um 65 USD), während Industriemetalle leicht zulegen.
- Devisen: EUR/USD tendiert stabil um 1,11, anziehende US‑Renditen könnten den Euro jedoch mittelfristig belasten.
Konkrete Finanztitel als Empfehlung
- Accumulate: Richemont (SIX: CFR) – starke Wachstumsprognosen und robuste Gewinnmarge.
- Buy: Novo Nordisk (CPH: NOVO-B) – defensive Cashflows und Innovationspipeline im Pharmasektor.
- Neutral: Siemens Healthineers (ETR: SHL) – ausgewogenes Chance-Risiko-Profil nach guter Quartalspräsentation.
- Reduce: Munich Re (ETR: MUV2) – weiterhin Druck durch Naturkatastrophen‑Rückstellungen.
Handelsempfehlung
- Kurzfristig (1–3 Monate): Hold (Halten) – Rangebound-Markt ohne klaren Trend.
- Langfristig (6–12 Monate): Overweight Health Care & Luxus – Accumulate-Tendenz bei den genannten Titeln, Reduce in zyklischen Finanzwerten.
Fazit
Die europäische Börse schließt die Woche auf einem positiven Fundament, angetrieben von Handelsentspannung, starken Quartalszahlen und soliden Konjunkturdaten. Anleger sollten defensiv ausgerichtete Sektoren wie Health Care und Luxus bevorzugen, während zyklische Finanz- und Energiesegmente vorsichtig zu betrachten sind. Die Handelsempfehlungen reichen von „Accumulate“ bei Richemont bis „Reduce“ bei Versicherern, um von der erwarteten Fortsetzung des Erholungstrends optimal zu profitieren.